Vielmehr muss der Elefant das Tanzen lernen, damit er flexibel und reaktionsschnell bleibt und trotz aller Komplexität nicht über die eigenen Füße stolpert. Wie das gelingt? Mit einem modernen Verständnis von Führung und mit einer Kultur des Vertrauens und der Eigenverantwortung. In einer Zeit, in der alles im Fluss und gleichzeitig vernetzt ist, funktionieren die linearen Managementmechanismen des 20. Jahrhunderts wie „Input-Output" und „Impuls-Reaktion" nicht mehr – oder zumindest nicht mehr so gut. Die unzähligen Variablen und vielen Unbekannten, mit denen Unternehmen heute umgehen müssen, erfordern eine neue Form der Informationsverarbeitung, des Planens und des Handelns – mit zunehmend agilen Methoden und dezentralen Strukturen, multioptionalen Szenarien und ergebnisoffenen Prozessen. Entscheidungskompetenz muss von den Führungskräften und aus den Gremien in die Fachbereiche und Ländergesellschaften verlagert werden. Nur die Teams und die Mitarbeiter, die nah am Geschehen und an den Kunden sind, können dafür sorgen, dass keine Chance verpasst und kein Risiko übersehen wird. Dafür benötigen sie ein eindeutiges Mandat – aber vor allem braucht es den „Geist der Aufmerksamkeit", der Mitarbeiter mit offenen und reflektierenden Augen und Ohren durch die Welt gehen lässt. Ich kenne Unternehmen, bei denen die Mitarbeiter auch im Urlaub, mit hoher Selbstverständlichkeit und aus eigenem Antrieb heraus, Fotos von interessanten Produkten schießen und sie umgehend in die Firmenzentrale schicken.
In diesem Zusammenhang gilt es, sich ein berühmtes Zitat des französischen Künstlers Francis Picabia zu eigen manchen: „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann." Für Organisationen lässt sich der schelmische Spruch so interpretieren, dass multiple Denk- und Arbeitsweisen, vielfältige soziokulturelle Hintergründe, unterschiedliche Wahrnehmungsweisen und alternative Interpretationsmuster ein Unternehmen für die globale Wirtschaft des 21. Jahrhunderts fit machen. Gewollte, geförderte und gelebte Diversität in der Belegschaft, im Management sowie in den Aufsichts- und Beiräten sollte daher selbstverständlich werden. Es liegt auf der Hand, dass Diversität nur mit einer adäquaten und für Mitarbeiter attraktiven Kultur erreicht werden kann.
Strategische Kooperationen mit Start-ups passen bestens in dieses Konzept. Wenn die Zusammenarbeit mehr ist als Imagekosmetik, kann die Allianz von Groß und (noch) Klein das Denken und Handeln mittelständischer Unternehmen deutlich vitalisieren. Dafür unabdingbar sind gegenseitiger Respekt und Augenhöhe, ein gutes Maß an Nähe und Distanz sowie ein konstruktives Miteinander auf mehreren Ebenen. Während mittelständische Unternehmen so wertvolle Impulse für ihre Kultur und ihre (digitalen) Geschäftsmodelle erhalten, profitieren die Newcomer von der Erfahrung, dem Kundenzugang und der finanziellen Leistungsfähigkeit ihrer Partner.
Nicht zuletzt gilt es, die Beziehungsqualität eines Unternehmens zu den verschiedenen Stakeholder-Gruppen zu verbessern. Gut vernetzt zu sein, einen Dialog mit den Interessengruppen zu führen, ist gerade für international agierende Unternehmen immens wichtig. Das Spektrum der Ansprechpartner sollte weit über Gesellschafter und Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten hinausreichen – bis in die Politik und die Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich wesentlichen Zukunftsthemen verschrieben haben. In der Lieferkette sollte es keine relevante Position geben, an der ein Unternehmen nicht mit den wesentlichen ökonomischen, ökologischen und sozialen Fragen vertraut ist. Dies gilt nicht nur, weil Weltmarktführer einen Ruf zu verteidigen haben, sondern weil nur hyper-aufmerksame und -kommunikative Unternehmen immer neue Entwicklungs- und Geschäftschancen entdecken.
Die Zukunft gehört den tanzenden Elefanten.
Über den Autor:
Dr. Thomas M. Fischer ist Geschäftsführer der Allfoye Managementberatung. Der Experte für mittelständische Unternehmen sitzt zudem im Aufsichtsrat der Bauer Gruppe, ist Chairman des European Institute for Leadership (ILT) sowie Beirat der Agenturgruppe brandcom. Als Initiator des Gründerballs und des Networking-Events „Startup meets Mittelstand" verknüpft er leidenschaftlich gerne die traditionelle Unternehmenslandschaft mit der Gründerszene. Der promovierte Betriebswirt fördert zudem als Investor mehrere Start-ups und engagiert sich im Senat der Wirtschaft.